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"Das Buch - nur ein Weltkulturerbe?"

W. Georg Olms


Meine Damen und Herren, als Gutenbergs Erfindung Schule machte, hieß es von Skeptikern, na, das kann nicht lange dauern, und richtig: Kaum sind über 500 Jahre ins Land gegangen, fühlen sich etliche Herrschaften berufen, den Skeptikern recht zu geben. Man träumt von leeren Regalen und glaubt, ein neues Zeitalter sei angebrochen - ein Zeitalter, das der Erfindung des Nürnberger Trichters so ziemlich nahekommt. Aber gemach: Wir sind überzeugt, daß sich das Buch auch in den nächsten 500 Jahren bewähren wird.
Womit wir beim Thema wären, das uns umtreibt und für das sich als Motto das NietzscheZitat anbietet: "Die Bildung wird täglich geringer, weil die Hast größer wird." Was würde er wohl heute sagen?
Wie ich Sie, meine Damen und Herren einschätze, gehen Sie ins Theater - ins Theater, obwohl es Film und Fernsehen gibt. Und Sie wären gewiß noch emsigere Theaterbesucher, hätten die Regisseure den Mut, ihre Stücke zu entmodernisieren. Und Sie lesen Bücher, wiewohl es die Vielfalt der anderen Medien gibt.
Das Buch hat also Konkurrenz bekommen, seit langem durch das Fernsehen, ein wenig auch durch Mikrofiche und CDROM, insbesondere durch Intranet und Internet - aber sind diese neuen Medien tatsächlich imstande, das Buch abzulösen?
Bei flüchtiger Lektüre unseres Florilegiums Leere Regale - leere Köpfe oder der rasende Stillstand. Zum Stellenwert der PrintMedien und des Internet mag der Eindruck entstanden sein, es handele sich um ein Pamphlet gegen die neuen Medien. Weit gefehlt, ich halte es für ebenso unsinnig wie sträflich, den Wert der vielfältigen Recherchemöglichkeiten, das ungeheure Ausmaß der sich bietenden Zugriffe zu verkennen. Wiewohl bei der Suche und dem Finden, wie wir inzwischen immer wieder leidvoll erfahren, noch so manches im Argen liegt. Besagte Anthologie Leere Regale - leere Köpfe hatten wir an ca. einhundert Adressen versandt, und zwar an die Wissenschaftsminister und die Direktoren der Staats, Landes und Universitätsbibliotheken. Selbstverständlich wollten wir hiermit eine Lanze für das Buch brechen, und das ist von den meisten nicht nur verstanden, sondern spontan begrüßt worden. Die Anthologie Leere Regale - leere Köpfe steht Ihnen gern ebenfalls zur Verfügung.
Den Evangelisten, wie Manfred Osten die Kämpfer für die Digitalisierung nennt, fällt es natürlich schwer, uneingeschränkt zuzustimmen, wenn wir sagen: Das Buch als Grundelement hat seinen Gebrauchswert keineswegs eingebüßt, es ist und bleibt das Leitmedium. Wie heißt es so treffend? "Wenn es das Buch nicht schon gäbe, man müßte es erfinden." Und von Klaus Rink auf der letzten IFLAKonferenz: "Printmedien werden ihre Bedeutung nicht verlieren, sondern an Bedeutung dazugewinnen."
Warum ist dies so? Warum hat das Buch unschlagbare Vorzüge? Lassen Sie mich die vier wichtigsten Argumente nennen. Da wären:
  1. Die augenschonende Lesbarkeit längerer Texte.
    Jeder weiß es bereits aus eigener Erfahrung, und inzwischen haben wissenschaftliche Studien längst bewiesen: Mehr als sechs Seiten hintereinander werden am Bildschirm nicht gelesen. Die Lern und Merkfähigkeit ist bei der Lektüre am Bildschirm geringer als beim Buch. Der ganze Text ist beim Buch stets ohne technischen Eingriff zur Hand. Er ist handlich, transportabel, überall und ohne weiteres nutzbar, langlebig. Kurzum, das Buch ist instrumental betrachtet überaus praktisch.
  2. Die nachgewiesene Langlebigkeit.
    Die Dauerhaftigkeit des Buches, wenn man einmal von den Problemen der auf säurehaltigem Papier gedruckten Werke absieht, ist unbestritten. Von den notwendigen Aktivitäten der Allianz zur Erhaltung des schriftlichen Kulturgutes haben wir gehört, und wir wissen, daß auch wir hier gefordert sind. Nachdenkliche Zeitgenossen wie der Generalsekretär der Alexander von Humboldt Stiftung, Manfred Osten, oder der Bibliotheksdirektor Peter Rau weisen schon seit längerem auf folgenden Umstand hin, den skandalös zu nennen wir nicht vermeiden können: Nachdem das in den letzten 150 Jahren in Büchern mit säurehaltigem Papier materialisierte Gedächtnis schon bedenkliche Auflösungserscheinungen zeigt, droht nun den digitalen Gedächtnisträgern eine wesentlich kürzere Halbwertzeit. Dies führt zu einem "horror digitalis". Jeder kennt es aus seinen eigenen Erfahrungen im Umgang und Neukauf von Computern: Nach und nach verschwinden bereits jene Geräte, mit denen Daten ursprünglich bearbeitet wurden. Alle verfügbaren Analysen zeigen: Die Digitalisierung kommt die Bibliotheken und damit die Steuerzahler nicht billiger zu stehen, sondern teurer. Die Vision des offenen Zugangs zu wissenschaftlichen Erkenntnissen wird durch die rasante technologische Entwicklung unterlaufen. Das Buch ist eine einmalige Anschaffung. Der Datenwust, mit der nach wie vor ungelösten Frage der Datenarchivierung, kostet, kostet, kostet.
  3. Eine weitere "Qualität des Buches": sein dokumentarisch unveränderbarer Charakter und die damit verbundenen urheberrechtlichen Schutzmöglichkeiten.
    Was schwarz auf weiß gedruckt steht, ist nicht mehr veränderbar. Die Körperlichkeit eines gedruckten Werks läßt sich nicht verfälschen. Auch Ruhm und finanzielle Ansprüche des Autors beruhen auf ihr. Der unkörperliche digitale Text ist dagegen fast beliebig manipulierbar. Mit über einer halben Million englischer Artikel hat die InternetEnzyklopädie Wikipedia, an der Tausende von Experten und Laien schreiben, die Encyclopaedia Britannica bereits überflügelt. In seinem heiligen Zorn hat der ehemalige Herausgeber der Encyclopaedia Britannica, Robert McHenry, Wikipedia kürzlich mit einer öffentlichen Bedürfnisanstalt verglichen, nachdem er falsche Korrekturen nachgewiesen hatte: "Was der User niemals weiß, ist, wer die Toilette vor ihm benutzt hat." (Andreas Rosenfelder, FAZ, 31.12.2004)
    Es gibt Szenarien, von denen Sie alle gehört haben, so die von Amazon, Ebay und von Google, und zwar von Google Print, mit den bereits angelaufenen Plänen, Milliarden von Buchseiten einzuscannen, die ganze Welt der Bücher in einem einzigen oder in mehreren Pools. Die Recherchemöglichkeiten, die sich daraus ergeben, sind revolutionär. Aber das Ganze zu steuern, in sinnvolle Bahnen zu lenken, ist eine Sisyphusarbeit. Und wenn schon heute, wo doch nur ein Bruchteil digitalisiert ist, unter Goethe über fünf Millionen Einträge zu finden sind, kann man sich vorstellen, was es bedeutet, hier Ordnung zu schaffen. Dazu heißt es von Sabine Günther in Buch und Bibliothek 57, 2005: "100.000 Treffer zu einer Suchanzeige zu erhalten, ist nicht die Kunst, aber fünf relevante Treffer zu erhalten, die noch dazu einer kritischen Bewertung standhalten, das bedarf eines professionellen Informationsvermittlers, eines Bibliothekars." Und Kai Lehmann, Herausgeber des Buches Die GoogleGesellschaft, entwirft die düstere Vision: "Zukünftig können Google und Co. den Zugang zum Weltwissen kontrollieren. Wenn wir nur noch über Google suchen, finden wir selbstverständlich all das Wissen nicht, was nicht digitalisiert ist."
    Die etwas großspurig angekündigte, weltumspannende virtuelle Bibliothek bereitet dem Internetanbieter Google inzwischen großes Ungemach. Der amerikanische Autorenverband mit seinen über 8.000 Mitgliedern hat inzwischen Klage eingereicht wegen bereits entstandener bzw. beabsichtigter Urheberrechtsverletzungen. Inzwischen sind andere Länder, voran Frankreich und nun auch Deutschland, aufgeschreckt; man will mit eigenen Digitalisierungsvorhaben dagegenhalten. Wir zweifeln nicht, daß hier mit nüchterner Sorgfalt die Aufgaben sinnvoll gemeistert werden. [...]
    Die Liste der einschlägigen Problemstellungen wäre unvollständig, würden wir nicht auf Open Access eingehen. Da gibt es einige Heilserwartungen, die Professor Friedrich Götze vom Springer Verlag zu dem Kommentar herausgefordert haben: "Open AccessModelle werden mit Steuermitteln finanziert, um Steuerzahler und Arbeitsplätze zu vernichten." Ich zitiere jetzt Dr. Rafael Ball (Leiter der Zentralbibliothek, Forschungszentrum Jülich GmbH), in BIT Online 2005: "Der größte Angriff auf die Sicherheit des Autors und seiner Dokumente ist heute die Open Access Bewegung. Dabei ist der prinzipielle Ansatz grundsätzlich zu begrüßen: Alle Welt soll Zugang haben zu den Erkenntnissen von Wissenschaft und Forschung. […] Open Access meint, daß Literatur kostenfrei und öffentlich im Internet zugänglich sein sollte." Aber: "Was gewinnt man, wenn man die bisherigen sicheren Systeme verläßt? Wie groß ist die Sicherheit der neuen Produktionsformen? Wer garantiert die Qualität? Wer sorgt für die Integrität der Daten und wer für die Langzeitverfügbarkeit? Wer zahlt für den wissenschaftlichen Produktionsprozeß? […] Wenn Open Access Publishing die Zukunft des wissenschaftlichen Publizierens sein soll, dann werden auch für den Benutzer Verfügbarkeit, Garantiertheit, Voraussehbarkeit, Berechenbarkeit und Haltbarkeit der Inhalte zu einem Sicherheitsrisiko."
    Mit seinem Urheberrecht war Deutschland bisher mustergültig und beispielgebend. Glaubt man jetzt wirklich, man könnte heute auf eingespielte, sinnvolle Regeln verzichten? Ich zitiere Günter Krings (MdB und Urheberrechtsexperte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion), Börsenblatt 6/2005: "Freier Informationszugang ist nicht gleichbedeutend mit kostenlosem Informationszugang. Der Staat schaut allzu oft zu, wie ein schwindendes Rechtsbewußtsein die Axt an die Wurzeln unserer Wissenschaftsgesellschaft legt. Die Achtung vor der kreativen geistigen Leistung muß dem Streben nach unentgeltlichen Inhalten weichen."
  4. Und damit kommen wir wohl zum wichtigsten Vorzug des Buches: Das haptische oder taktile, das ästhetische oder bibliophile Moment, und wenn man so will, die Seele des Buches.
    Lassen Sie mich D'Israeli aus einer Rede im Englischen Parlament zitieren: "Man sagt, daß die Entdeckungen der Wissenschaft nicht mehr mit den Lehren der Kirche übereinstimmen […]. Die Frage liegt so: Ist der Mensch ein Affe oder ein Engel? Mylords, ich stehe auf Seiten der Engel." Ganz England amüsierte sich köstlich, und Punch ließ es sich nicht nehmen, D'Israeli auf der Titelseite mit Engelsflügeln zu karikieren. Aber es gilt als sicher, daß dies nicht nur als Scherz gemeint war. D'Israeli glaubte, und damit steht er nicht allein, daß der Mensch mehr ist als eine Maschine, vielmehr eine Wesenheit, die man Seele nennen mag (frei nach André Maurois in seiner D'IsraeliBiographie).
    Viele unserer Hirnforscher glauben nur noch an Hirnströme, nicht aber an die Existenz einer Seele - so wie vereinzelte fanatische Evangelisten auch nichts von der Seele eines Buches wissen wollen; sie glauben nur noch an die Geschwindigkeit, mit der Impulse durch elektromagnetische Felder geschickt werden. Die Seele eines Buches, die Welt der Bücher bleibt ihnen verschlossen. Wir bewundern deren technische Intelligenz, aber auch ihr mutiges Gewissen.
    Es muß ja nicht dazu kommen, was schon am Ende des 19. Jahrhunderts Theodor Fontane befürchtete: daß der Fortschritt seine Kinder eines Tages entlassen könnte als "elektrisch beleuchtete Barbaren". Was würde er wohl heute sagen?
    Meine Damen und Herren, als wir kürzlich mit den folgenden Fakten konfrontiert wurden, weckte das in mir Gefühle - um es mit Ernst von Salomon zu formulieren - "wie sie wohl die Brust eines stolzen Kavalleristen bewegt haben, wenn er bei seiner Attacke auf feuchten Lehmboden geriet".
    Es geht um die Gründung von Universitätsverlagen, zumeist jeweils mit dem schönen Titel University Press versehen, Sie haben richtig gehört: University Press, und diese University Presses sind noch dazu vereinigt in GAP (German Academic Publishers). Ist schon die Wahl dieser Bezeichnungen grotesk, wird das Ganze noch unverständlicher, wenn man bedenkt, daß hier staatliche Institutionen den mittelständischen Wissenschaftsverlagen Konkurrenz machen. Allerorten wird privatisiert, um Bürokratien abzubauen. Hier läuft das umgekehrt. Dazu bleibt nur zu sagen, wenn uns von staatlicher Seite die Mitarbeiter in Lektorat, Werbung, Herstellung, Lizenzabteilung, Vertrieb, usw. bezahlt werden, können wir im Vergleich zu den University Presses wesentlich billiger anbieten und auch weiterhin besser. Man verteidigt diese Unternehmungen unter anderem mit dem Hinweis, daß es schließlich auch eine Oxford University Press, eine Harvard University Press und eine Cambridge University Press gäbe und verkennt dabei, daß es sich dort um selbständig arbeitende Verlage handelt, unabhängig vom Tropf ihrer Universität oder anderen staatlichen Einrichtungen.
    Es gilt schließlich, unsere wenigen noch selbständig wirkenden Wissenschaftsverlage in ihrer Arbeit zu stärken, damit sie den Autoren nach wie vor ein Forum bieten können, das Qualität verspricht. Sonst ist das Buch schon bald tatsächlich nur noch ein Weltkulturerbe, und man ist dem Internet ausgeliefert.
    Ernst Rowohlt klagte einmal (ich hatte das Glück, ihn in den 1950er Jahren kennenzulernen): "Glauben Sie mir, daß es ein armer Verleger gar nicht leicht hat." Was würde er wohl heute sagen?
    Unser Autor Graham Jefcoate sagte mir kürzlich: "Bei uns in England heißt es: ‚Wenn die Deutschen endlich Licht im Tunnel sehen, bauen sie den Tunnel länger.'" Da ist leider etwas dran. Es gilt aber, dergleichen für die Zukunft zu widerlegen, so mit einer von unserem neuen Bundestagspräsidenten Norbert Lammert in Erinnerung gerufenen Deutschen Leitkultur. Dr. Matthias Buth vom Amt des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, den ich hier ebenfalls herzlich willkommen heiße, setzt sich ein für eine Deutsche NationalKultur. Diese Bestrebungen begrüßen wir aufs wärmste.
    Auch in unserem speziellen Fall kann man hoffen: "Für die meisten Bibliothekare gilt das Buch schließlich als das Leitmedium. Für sie handelt es sich bei den hybriden Bibliotheken um ein mehrschichtiges Angebot von Wissensintensität. Hier wirken die verschiedenen Medien zusammen, dabei bilden die Verknüpfung von Buch, Mikrofiche, CDROM und Internet ein sinnvolles Modell für komplexe Informationen. Nur so entstehen die denkbar besten Arbeitsmöglichkeiten. Die klassische Hauptaufgabe der Bibliothek ist nach wie vor: das Gedächtnis der Menschheit zu bewahren und verfügbar zu halten. Und hier rangiert das Buch auch für die unmittelbar laufende Forschung an oberster Stelle." (W. Georg Olms in der FAZ vom 28.4.2002).
Und hier noch ein wichtiger Aspekt: Im Laufe eines Jahres erhalten wir weit über einhundert Publikationsangebote. Da ist niemand, der nach einer Veröffentlichung seiner Arbeit auf CDROM oder im Internet, in seltenen Fällen höchstens als Ergänzung zur Buchausgabe, fragt. Der Autor möchte sein Werk in sinnvoller Form mit dem Qualitätsmerkmal des Verlages als Arbeitsinstrument zur Verfügung gestellt wissen, so daß schließlich dauerhaft daraus zitiert werden kann.
Damit komme ich zur Schlußoffensive:
"At such a time, it is of critical importance to affirm the matchless power of the book." (Lawrence H. Summers, Präsident der Harvard University, November 2004)
Und so KlausDieter Lehmann (Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz): "Zur Rettung unseres gedruckten Kulturerbes […] bleiben Bücher auch im digitalen Zeitalter das konstitutive Element unserer Textkultur."
In dem aktuellen, gerade zur Buchmesse erschienenen FAZArtikel von Paul Ingenday, Ist's auch Wahnsinn, so hat es doch Methode. Der Teufel steckt in der Digitalisierung, heißt es: "Nicholson Baker kämpft mit Leidenschaft für das Leben der Bücher. Sein Buch Der Eckenknick oder wie die Bibliotheken sich an den Büchern versündigen ist eine Streitschrift gegen die Digitalisierung von Texten zu Lasten des physischen Buches. Es heißt dort: ,[…] renommierte Häuser waren dabei, ihre Papierbestände zu digitalisieren und dabei in Kauf zu nehmen, daß Originalbücher ausgeschlachtet, zerstört oder verramscht wurden.'" Wie mir die anwesenden Bibliothekare bestätigen können, ist dergleichen bei uns in Deutschland glücklicherweise undenkbar. Und weiter bei Paul Ingenday: "Was Nicholson Baker beschreibt, läuft auf eine gigantische Dummheit im amerikanischen Bildungswesen […] hinaus, einen kostspieligen, verblendeten Unfug, der den Kindern der heutigen Verantwortlichen für immer einen substantiellen Teil ihres historischdokumentarischen Erbes raubt."
Ich darf meinen Vortrag beenden mit einer Anekdote, die sich in der MohammedBiographie von Essad Bay findet:
"Einer der berühmtesten alten Dichter Arabiens war Amr Ibn Abd al Bakri, genannt Tarafa. Er lebte im Reiche der Ghassaniden am Hofe des Königs von Hira. Tarafa war ein großer Freund des Spottes, er scherzte über Wein, Frauen und Gott, und der König lächelte huldvoll. Eines Tages verfaßte nun Tarafa ein Spottlied über den König selbst. Da hörte der König auf zu lächeln. Er sann über eine angemessene Strafe wegen Majestätsbeleidigung nach und beschloß, den frechen Dichter mit dem Tode zu bestrafen. Aber einen gottbegnadeten Dichter darf man nicht hinrichten. Selbst der König konnte es nicht wagen, daß teures Dichterblut von dem Scharfrichter vergossen wurde. Er bat deshalb Tarafa zu sich, gab ihm einen Brief und sagte: ‚Bringe diesen Brief zu meinem Statthalter in Bahrain. Viel Lohn und Ehre sollen Dir dort zuteil werden.' Tarafa, der Dichter, konnte nicht lesen. Er nahm den Brief und ging damit in die Wüste, traf unterwegs einen sehr weisen Mann, dessen Weisheit sogar ausreichte, um das geschriebene Wort zu entziffern. Der weise Mann las den Brief und sagte: ‚Oh, Tarafa, gehe nicht nach Bahrain. Hier steht, daß der Statthalter Dich dort wegen Deines Spottgedichtes lebendig begraben soll, zerreiße deshalb den Brief.' Da antwortete der Dichter Tarafa: ‚Lesen ist eine große Kunst, eine große das Schreiben. Ich will nicht, daß etwas Geschriebenes durch meine Schuld vernichtet wird. Lieber sterbe ich, als etwas Geschriebenes zu zerstören.' Er setzte seinen Weg fort und starb eines qualvollen Todes zu Ehren der Schreibkunst."
Ich denke, möglicherweise hätte er auch zu Ehren der Druckkunst den Tod auf sich genommen. Ob aber für das flüchtige Internet?

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